Das Denken ist die Verknüpfung von Worten und die sinnvolle Herstellung von Bezügen. In der Gehirnforschung werden geistige Prozesse als Materialisierung in neuronalen Verschaltungen beschrieben. Denken ist Beziehung von Worten und Sätzen. Da der Mensch ein denkendes Wesen ist, geht er in diesem Denken auf. Da Denken Beziehung ist, geht der Mensch in dieser auf. Er ist diese Beziehung selbst.
Der Mensch ist Beziehung.
Der Mensch ist von Geburt an abhängig von der Mutter und anderen und ohne diese Beziehung nicht überlebensfähig.
Er ist Beziehung zu Anderen und Anderem.
Er ist Beziehung zu sich selbst und
Er ist Beziehung zu Gott.
Er ist ein hochkomplexes System von Beziehungsgeflechten, die sich im Zeitablauf verändern und entwickeln.
Beziehungsstrukturen sind anfällig für Störungen und bedürfen der Pflege (lateinisch: „cultus“). Kultur besteht so aus Beziehungsstrukturen, die man pflegt.
Die Trennung von Beziehung ist eine ständige Gefahr.
Die gesamte Menschheitsgeschichte in ihren vielfältigen Kulturen, Zivilisationen, Religionen etc. kann auf die Bewältigung dieser Gefahr zurückgeführt werden, denn sie steht im Zentrum des menschlichen Lebens und des Menschen, der Beziehung ist. Wobei natürlich dann immer der Gegenpol mitgegeben ist: Die Aufrechterhaltung und Ausgestaltung des eigenen Lebens mit Sicherheit und Entfaltung und dann der höchstmöglichen Rationalität aller Beziehungsstrukturen, nämlich die der Liebe. Das ist die ewige Aufgabe des Individuums als auch der Gesellschaften, die er sich erschafft und in die er eingebunden ist.
Die Trennung von Beziehung ist als Prozess Sterben und als Ergebnis der Tod dieser Beziehung.
Jede Trennung, also auch die geistige oder emotionale etc. ist eine Erfahrung des Todes in all seinen Abstufungen. Wird die Trennung der Beziehung zu sich selbst und seinem Körper vollzogen, so erfahren wir diese als den physischen Tod.
Der Tod als Vergegenwärtigung von Trennung ist Angst.
Das Entstehen von Angst ist zwangsläufig durch das menschliche Leben und dessen Bedrohung durch Trennung von Beziehungen unvermeidlich. Das Wesen der Zeit ist Trennung, da sich der Mensch unaufhörlich von der Gegenwart trennt, die zur Vergangenheit wird.
Das Niveau von Angst ist für das gesellschaftliche wie persönliche Leben eine entscheidende Größe.
Die Verarbeitung der Angst ist für die Entwicklung des Menschen und seiner Kultur entscheidend. Sie setzt enorme innere Kräfte frei, auf deren Ausrichtung es ankommt.
Die Richtung gegen sich selbst: Der Mensch kann mit ohnmächtiger Erstarrung, einer Apathie, einer Depression als Aggression gegen sich selbst reagieren.
Die Richtung gegen andere: Er versucht, die Angst durch Aggression gegen andere, also im Angriff zu bewältigen.
Bei der der Angst, die vom Begriff im Gegensatz zur Furcht unbestimmt ist, ist Flucht als Ausweichen einer konkreten Bedrohung, nicht möglich, da es kein konkretes Objekt, wie z.B. ein schnell fahrendes Fahrzeug, gibt. Eine allgemeine Angst vor wirtschaftlichem Abstieg kann völlig unbegründet sein. Das Fehlen eines Objektes hindert diese Angst jedoch nicht, die mögliche Trennung vom status quo als bedrängend oder gar psychisch niederschmetternd zu erfahren. Vielmehr wird Flucht dann ein Ausweichen ins ebenfalls Unbestimmte und Ablenkende (z.B. als Konsumismus, Sucht, etc.).
Angst kann zu jener inneren lähmenden Schwere, einer dunklen Trauer werden, in der sich der Mensch verschließt, bis er schließlich Furcht und Scham vor den Anderen entwickelt und die Trennung von ihnen als ein linderndes Ziel anstrebt. Alle Antriebe der Selbstachtung, der Selbsterhaltung werden nun so geheimnisvoll durchkreuzt, unsicher gemacht und entwurzelt bis dahin, dass das Leben sich gegen sich selbst richtet und der Untergang als etwas Gewolltes und Ersehntes erscheint (z.B. destruktives Verhalten, Drogen, Selbstmord).
Angst ist das wesentliche Instrument der Macht.
Neben den vielfältigen Funktionen von Angst ist deren Erzeugung in jeder Kultur und in jedem Staat durch Regeln der Strafe und der daraus resultierenden Trennung von der Gesellschaft in Abstufungen vom Verkehrsstrafzettel (Trennung von Geld) bis hin zur Todesstrafe (als Trennung von der Gesellschaft und sich selbst) geregelt.
Während jedoch die Demokratie wie zuvor zitiert von einer Gleichheit aller in einer Gesellschaft ausgeht und den Einzelnen so vor unangemessener Einschüchterung der Mächtigen schützten soll, legen es machtbesessene Autokraten darauf an, dieses Machtinstrument zur Steigerung der Ungleichheit und Verhinderung der Machtkontrolle in jeder Weise zu nutzen, um so ihre eigene Macht auszubauen und den Einzelnen nicht mehr als Gleichen gegen sich zu haben.
Vielmehr ist die Erzeugung von Angst solcher Herrschaftsstrukturen darauf ausgerichtet, den Einzelnen in seiner Existenz zu erschüttern, ihm durch Lügen, Diffamierung und Verwirrung das Vertrauen in andere Quellen der Information als den bereitgestellten zu nehmen, bis er sich, in Verzweiflung und in einer ängstlichen Orientierungslosigkeit befindet. In eine solche Vorstellungswelt hineingestoßen und gefangen zu sein, erzeugt dann die Vorstellung, dass aus dieser angstbesetzten Welt nur derjenige, der zuvor die Angst erzeugt hat, die Rettung darstellt.
Die systematische Angsterzeugung nimmt oft reale Ängste oder übliche Existenzängste der Bevölkerung auf und steigert sie durch Übertreibung, Lügen und zusätzliche erfundene Ausschmückungen auf ein für den Einzelnen nicht mehr greifbares Maß, so dass es für ihn als vernünftig und rettend erscheint, demjenigen der solche Gefahren erkannt hat und ihnen entgegentreten wird, zu folgen. Ein solcher Führer muss gewählt und unterstützt werden und man muss ihm absolute Loyalität zukommen lassen!
So wird Wahrheit durch Loyalität ersetzt. Eine Reduktion der Loyalität, also ein Austritt aus dem Gefängnis dieser Vorstellungswelt wird als Verrat verdammt und bestraft. Auch in mafiösen Kreisen werden solche Strukturen aufgebaut.
Aus der Geschichte sind solche Führerkulte und ihre propagandistischen Verführungskünste sehr bekannt. Aber sie begrenzen sich nicht nur auf die Vergangenheit, sondern diese sehr wirksamen Strukturen einer systematischen Angstverbreitung werden von Trump meisterhaft angewendet.
Wenn man Trumps Reden in einem Wort als zusammenfassen sollte, so ist es „Angsterzeugung“. Das ist der Kern seiner Reden und seiner Absicht, was auch dann noch funktioniert, wenn Fakten erkennbar falsch sind, lügenhaft übertrieben oder frei erfunden werden. Im Gegenteil: Sofern eine strategische Behauptung nur noch geglaubt und nicht bewiesen werden kann, so fügt sie sich in den beabsichtigten Zweck besser ein.
Wahrheit spielt hierbei überhaupt keine Rolle, sondern ausschließlich eine strategische Kommunikation, die den Hauptzweck der Angsterzeugung erreichen soll.
Die Formung und das Heranziehen einer loyalen Gefolgschaft durch das systematische Verbreiten von Lügen und das Übertreiben von Gefahren bei gleichzeitiger Diffamierung anderer Informationsquellen ist über die Jahre immer mehr gelungen, so dass er letztlich die Wahrheit durch Loyalität ersetzen konnte. Er konnte so seine Gefolgschaft in ein geistiges Gefängnis von Vorstellungen hineinführen, die auch in seinem Selbstverständnis ohne ihn aus diesem Gefängnis nicht mehr ausbrechen kann. Daher, so sagt er es klar und deutlich, kann er sich alles erlauben, da diese angstbesetzte Loyalität nicht mehr zugänglich ist für Andere und Anderes: „I could stand in the middle of 5th Avenue and shoot somebody, and I wouldn’t lose any voters, ok? It’s like incredible.“ (23.1.2016) Soll man in einer Demokratie frei wählen können, so kommt es jedoch auf die wahrheitsgemäße Darstellung der Fakten an, um für den Einzelnen überhaupt eine Entscheidungsgrundlage zu schaffen.
Werden diese jedoch verschleiert, sogar durch die absurde Formulierung wie „alternative Fakten“ verdunkelt, so ist eine freie Entscheidung schon im Vorfeld der Wahl mindestens eingeschränkt, wenn nicht sogar verunmöglicht. Daher gehört zur Angsterzeugung in einem übersteigerten Maß (Trump: „bad things will happen“) auch zwingend die systematische Diskreditierung anderer Informationsquellen. Die Umdeutung von Fakten und Wahrheit ist in der Geschichte stets verbunden mit dramatisch schlechten, manchmal auch katastrophalen Entwicklungen und stets gegen die Demokratie gerichtet, denn sie vernichtet die Grundlage der Wahlmöglichkeit, nämlich eine wahrheitsgemäße Darstellung der Faktenlage.
So ist die durch die Initative von Lenin gegründete Zeitung mit dem russischen Namen „Pravda“, der Wahrheit bedeutet, von 1918 bis 1991 das Zentralorgan für die kommunistische Propaganda der damaligen kommunistischen Partei der Sowjetunion, die Fakten verschweigt, wo dienlich übertreibt, umdeutet und lügt.
Dass Trump eine Plattform mit dem gleichen Namen, also „truth media“, auf russisch „prawda media“, gegründet hat, ist eine merkwürdig beklemmende Parallele. Dass Trump ständig Lügen verbreitet, die eine strategische Funktion in der Zwecksetzung seiner Machtergreifung hat, ist strukturell durch aus vergleichbar. Er sollte das daher doch wohl eher „Trumps Prawda Media“ nennen. Das käme wohl von der Zielsetzung der Sache näher.
Für den Zusammenhalt und die Weiterentwicklung der Gesellschaft ist das Verdrehen und Leugnen von Tatsachen, das Verbreiten von Lügen, die Verdrehung und Diskriminierung von objektiven Tatsachen im höchsten Maße schädlich, denn das zerschlägt ein allgemeines Vertrauen in die eigene, individuelle Lebenswelt, also die so wichtige Beziehungen zur Deutung und Bedeutung des eigenen Lebens im Verhältnis zu Anderen und Anderem. Bei Autokraten und Diktatoren ist es stets ein erstes Ziel, die Deutungshoheit durch die Zerstörung und Trennung dieser wichtigen Beziehung zu erreichen. Zurück bleiben desorientierte und verängstigte Individuen, die sich nun in ihrer Angst einer vorgegebenen und gesteuerten kollektiven Weltsicht anschließen, um sich nicht ganz zu verlieren. Daher waren Putins erste Schritte gegen die vor seinem Amtsantritt im Jahr 2000 noch relativ freie Presse Russlands gerichtet, die heute ausgelöscht ist.
Es gibt Untersuchungen, dass eine Volkswirtschaft sich bei „zu viel“ Angst deutlich schlechter entwickelt, was natürlich auch die Ursachen im Individuum selbst hat. Warum gibt es denn in Russland keinen allgemeinen Wohlstand?
Die wichtigste Beziehungsstruktur ist die Liebe.
Da diese Beziehungsstruktur durch das Denken erschlossen und gedanklich nachvollzogen wird, ist diese Struktur auch rational erklärbar. Es geht also nicht um die emotionalen, ebenfalls sehr wichtigen Aspekte der Liebe, sondern zunächst nur um die rationale Beschreibung der Grundstruktur des Menschen in seinen Beziehungen.
Liebe ist insofern die positive Ausgestaltung jeglicher Beziehungsstruktur. Liebe hat also die Funktion, die Beziehungsstruktur auf die Entfaltung und Steigerung des Lebens sowohl für das Individuum als auch die Gesellschaft auszurichten. Liebe ist die höchste Form der Ausgestaltung von Beziehung.
Daher gibt es keine höhere Rationalität als die Liebe.
Seit Tausenden von Jahren steht diese Beziehungsstruktur durch das Denken, Handeln und Fühlen im Zentrum des menschlichen Lebens.
Liebe entgrenzt im Extremfall auch die eigene Individualität auf einen größeren Zusammenhang einer Beziehungsstruktur bis hin zur Aufgabe der eigenen Existenz im Tod. Beispiele sind hierbei die aufopferungsvolle Hingabe von Eltern bis hin zu den freiwillig in den Kampf ziehenden Soldaten zur Verteidigung des eigenen Landes. Heldentum besteht in der Regel darin, die Angst vor dem Tod zu überwinden für ein richtiges und wichtiges Ziel. Je mehr die Demokratie unter Druck kommt, um so mehr Heldentum ist erforderlich, um die Liebe als grundlegende Struktur des Lebens wieder zur Geltung zu bringen. Lassen wir es nicht dazu kommen!