
Diese individuell geprägte Lebensgeschichte eines jeden Menschen geschieht in der Zeit, die sich in ihrem stetigen Fluss von der Gegenwart trennt und diese Gegenwart in jeder Sekunde, jeder Minute, Stunde und jedem Tag zur nicht mehr zu verändernden Vergangenheit wandelt.
Das Wesen der Zeit ist also Trennung.
Eine nicht aufhaltbare, ständige Trennung von der Gegenwart in eine nicht mehr zugängliche Vergangenheit.
Abgesehen von dem ständigen und dahingleitenden Fluss der Zeit wird jedoch ein zusätzlicher, zentraler Trennungsprozess wesentlich für das individuelle wie das gesellschaftliche Leben und Schicksal und somit das der Welt: Die Entscheidung.
Das Wort „decision“ stammt aus dem lateinischen und meint mit de= ab und caedere = schneiden, dass etwas abgeschnitten wird.
In der Entscheidung wird aus dem Reich toter Möglichkeiten, die der Geist sich in seinem Denken erschließt, eine solche Möglichkeit in das Reich der Realisierung gebracht, so dass man sich selbst von allen anderen Möglichkeiten abschneidet und sich von den anderen Möglichkeiten trennen muss.
Kein Mensch kann an einer Kreuzung gleichzeitig nach links und nach rechts gehen. Vor seiner Entscheidung ist beides möglich, aber er muss sich trennen von den toten Möglichkeiten, geradeaus, rechts oder links zu gehen. Leben realisiert sich in Entscheidung.
Entscheidungen, die aus dem bisherigen Leben und seiner Geschichte eine existentielle Verdichtung erzeugen können und in der die Dramen dieser Welt begründet sind.
Den tödlichen Schuss abzugeben und abgegeben zu haben ist eine existentielle Dichte, in der sich vielleicht ein bisheriges Leben in seiner Geschichte des Hasses zusammenfasst und in der getroffenen Entscheidung eine dramatische Endgültigkeit setzt, die in diesem einen Moment in die Vergangenheit entgleitet und einer Veränderung unzugänglich macht, auch wenn eine nachträgliche Reue und Trauer einsetzt.
Das Wesen der Zeit ist für den Menschen also in einem doppelten Sinn Trennung, also diejenige von der Gegenwart und diejenige, die jeder Entscheidung zugrunde liegt.
Natürlich kann jeder Mensch Entscheidungen verändern und nachdem er geradeaus gegangen ist und nun nach rechts abbiegt. Hält er an Entscheidungen fest, so kann dies zur Treue werden. Ursprüngliche Entscheidungen beizubehalten kann, als Teure verstanden werden. Er bleibt seinem Pfad treu.
Da der Mensch Beziehung ist, und zwar Beziehung zu sich selbst, zu anderen und anderem und zu Gott, sind seine individuellen Entscheidungen, die er selbst trifft, auch stets eingebunden in die Entscheidungen anderer.
Der Mensch als Neugeborenes bis zur Reife eines Volljährigen trifft die meisten Entscheidungen für sein Leben mindestens am Anfang dieser Zeitperiode nicht selbst. Viele – auch sehr wesentliche – Entscheidungen in unserem Leben werden nicht von uns selbst getroffen. Wir werden hineingeboren in einen Staat, eine Kultur, eine Familientradition und Erziehungsstrukturen, die für den Einzelnen prägend und schicksalhaft sind.
Der Mensch ist hineingeboren in Zeit und Raum und ist aus den Tiefenstrukturen seines Seins als Beziehung zu sich selbst und zu Anderen und Anderem offen für die individuelle Prägung seines Daseins. Die grundlegenden sowie schicksalhaften Vorprägung seiner Existenz erhält er aus den Entscheidungen anderer über Jahrhunderte hinweg und der Trennung durch diese Entscheidungen in der Zeit zu einer bestimmten, unveränderbaren Vergangenheit, also seiner Geschichte und Herkunft.
Da Angst die Vergegenwärtigung der Trennung ist, ist sie auch der konstante Begleiter des Menschen in seiner Reise durch die Zeit. Ganze Jahrhunderte sind geprägt durch die unterschiedliche Gegenwart von Angst in der Gesellschaft und den jeweiligen Individuen und der dadurch gelenkten Entscheidungen. Das Maß an Angst in den jeweiligen geschichtlichen Epochen zu untersuchen wäre ein neuer Ansatz der Geschichtsschreibung, der bisher meines Wissens noch nie umgesetzt wurde.
Es ist der Mensch als geistiges Wesen, der durch die Beziehungen zur Vergangenheit, die sein Denken und seine Identität bilden, sich selbst in die jeweilige, vergehende Gegenwart hineinstellt und so auch den Horizont seiner Zukunft und seines gesamten Denken umfasst.
Die Erinnerung seiner eigenen Lebensgeschichte bildet für den Menschen im Verfließen der Zeit seine Identität. Aus der jeweils neu vergegenwärtigten Sprache der Gegenwart und seiner individuellen Erlebnisse steht er als der einzigartige Mensch in der Gegenwart, der er geworden ist, in dieser Welt.
So ist es auch mit der Geschichte der Vielen in dieser Welt und deren Erfahrungen und wie sie in ihrer jeweiligen Rolle die ihnen gegebene Zeit durch Entscheidungen gestaltet haben.
Daher ist nicht nur für Staaten, sondern auch für jeden Einzelnen, Geschichtsvergessenheit gefährlich, da sie die Orientierung in der Gegenwart einschränkt und teils dramatische Fehlentscheidungen hervorrufen kann.
Es ist völlig abwegig und unangemessen, Trump pauschal mit Hitler zu vergleichen, da Trump nun wirklich kein Massenmörder ist. Das dürfte wohl absolut klar sein!
Vielmehr muss gesagt werden, was abweichend von irgendwelchen pauschalen Gleichsetzungen strukturell verglichen wird. Das ist etwas grundlegend anderes. Vergleiche müssen daher deutlich machen, dass sie keineswegs eine Gleichsetzung und damit eine Herabsetzung in der Würde des Anderen beinhalten. Vielmehr muss in einem Vergleich deutlich werden, wie die Strukturen in der Hitlerzeit eventuell mit Aussagen von Trump übereinstimmen, so z.B. in der Angsterzeugung, die Hitler dadurch hervorgerufen hat, dass er Deutschland als eine Nation im Niedergang bezeichnete und diese ohne ihn nicht gerettet werden kann. Daher war das stets propagierte Ziel Hitlers, dass er Deutschland wieder groß machen würde (Make Germany Great Again). Und es war ganz klar: „Germany first“ als aggresiver und rücksichtsloser Egoismus würde die Politik von nun an bestimmen.
Das sind Strukturen, die natürlich nicht identisch sind, da Geschichte stets unwiederholbar und einzigartig ist, aber aus den tiefen Strukturen der Geschichte ergeben sich eben jene strukturellen Analogien und Vergleiche, über die man reden und nachdenken sollte. Vergleiche sind daher niemals Gelichsetzungen von konkreten Personen oder Taten, sondern es müssen stets die historischen Einzelheiten durchstoßen werden, um so die sie prägenden Strukturen offenzulegen.
Die tiefen Strukturen der Menschheitsgeschichte bildet stets der Mensch.
Der Mensch als lebendige Grenze in Raum und Zeit als Trennung von der Gegenwart hinein in eine unveränderbare Vergangenheit und als Trennung in der Entscheidung von anderen Möglichkeiten hinein in die nur einzigartige Realisierung, die dann die Realität und so die Zukunft aus der Vergangenheit gestaltet.
In dieser jeweils unwiederholbaren Gegenwart muss sich der Mensch also trennen von den vielen Möglichkeiten, um so einer jeweils einzigen Möglichkeit Leben und Geltung zu verleihen, nämlich in der Entscheidung, gepeinigt von den Ängsten der Trennung und doch gleichzeitig aufgerufen zur Liebe, die als höchste Rationalität seine Beziehungen ausgestalten vermag.
Der Sinn der Geschichtsforschung liegt in der Erfassung und dem Verstehen dieser tiefen Strukturen des Menschen.
Wer könnte es besser ausdrücken als Churchill: „Wer tiefer in die Vergangenheit blickt, kann auch tiefer in die Zukunft schauen.“
Das Durchleben eines zusätzlichen Lebensjahres eines zehnjährigen Menschen ist eine Steigerung bisheriger Lebenszeit um 10 % und somit ein in der Beziehung bisheriger Lebenszeit ein erheblicher Anteil mit einem geringen Anteil, den es zu erinnern gilt, während ein zusätzliches Jahr eines Sechzigjährigen nur noch einen Anteil von ca. 1,6 % darstellt.
Daher sind in der Beziehung zur bisherigen Lebenszeit eine andere Bedeutung und eine andere Verhältnisgröße gegeben und so wird in der Regel diese kürzere Periode in Beziehung zur längeren Periode als Beschleunigung der Zeit im Verhältnis zur bisherigen Vergangenheit empfunden.
Ein älter werdender Mensch weiß, dass die Natur von ihm in einem letzten und endgültigen Akt die Trennung von seinem Körper im Tod einfordern wird und er als letzten Akt der Liebe Anderen Platz machen soll, und somit alles abgibt, um in der Hoffnung auf eine übergreifende Beziehung, nämlich die, der göttlichen Liebe, aufgehoben zu sein.
Die göttliche Liebe im Christentum ist mit dem Tod am Kreuz von Jesus nicht eine machtvoll erzwungene, sondern sie setzt in aller Demut Leiden als höchste Form des Tuns, denn sie erzwingt nichts. Eine solche Liebe der Freiheit, der man als Christ nacheifern soll, ist fordernd bis in den Tod und auch das macht Angst; sie fordert die Trennung von egoistischer Eigensucht und Gier und die Steigerung des Lebens in der Ausgestaltung von Beziehungen mit dem Ziel der Liebe, die letztlich im christlichen Selbstverständnis grenzüberschreitend ist. Da aus christlicher Sicht die göttliche Liebe auf den Menschen in seiner freien Entscheidung keinen Zwang ausübt, ist er so sowohl zum Guten wie auch zum Bösen befähigt.
Es ist keine Überraschung, dass sich das eigenständige Denken des Menschen nicht im Widerspruch zu dem weiten christlichen Horizont befindet, in das es hineingestellt ist und den der Gläubige doch als die Tiefe aller Wahrheit bezeichnen würde. Es gibt bei manchen Christen eine merkwürdige Angst vor wissenschaftlichen Erkenntnissen, in der in der Tiefe eher die Trennung von eigenen Vorstellungen aufscheint, anstatt darauf zu vertrauen, dass der Glaube als Horizont alles Menschliche umfasst. In dieser Hinsicht können sich alle Menschen aller Religionen auf den Weg begeben, ihr eigenes menschliches Dasein zu erkunden und darin in Liebe den anderen zu erblicken.
Liebe und Tod sind daher eng verbunden: Nicht nur im Tod Christi, sondern in der Tiefenstruktur unseres Daseins, die aber nicht nur in jedem Leben eines jeden Menschen in seiner jeweils individuellen Lebensgeschichte erscheint, sondern Liebe und Tod wird auch in der großen Literatur der Menschheit in seiner engen Verbindung gesehen. Um nur weniges zu nennen: Romeo und Julia bei Shakespeare oder Tristan und Isolde bei Wagner und letztlich in jedem Kriminalfilm das Scheitern der Liebe im Mord.
Wenn es also alleine aus dem Denken heraus keine höhere Rationalität als die der Liebe gibt, so ist es genau diese rationale Beziehungsstruktur, über die es nachzudenken gilt und James Madison spricht es aus, wenn er Regieren selbst als „the geatest of all reflections on human nature“ beschreibt.
Amerika muss als das größte demokratische Land der Welt auf seine tiefen Wurzeln zurückgreifen und die Versuche, über unangemessene, d.h. lügnerische Angsterzeugung die Wahlfreiheit der Bürger zu zerstören, zurückweisen.
Die Angstfreiheit unter Gleichen als Voraussetzung für Demokratie muss wieder erschlossen werden und das Nachdenken über die Natur des Menschen muss wieder Raum gewinnen, so dass der Weg des Regierens im Sinne von James Madison gestaltet werden kann.
China und Russland wird beherrscht durch eine große Ungleichheit zwischen den Wenigen, die wirtschaftliche, politische und vor allem mediale Macht haben und die somit Angst erzeugen und den Millionen, die Angst haben. Amerika muss sich entscheiden, ob es sich strukturell in eine ähnliche Richtung der Ungleichheit begeben will.